#IamHere

#IamHere – Wir sind trotz schwerer Krankheit noch hier!

Die Aktion #IamHere setzt sich zum 12. Mai künstlerisch mit ME/CFS und der Situation der Betroffenen auseinander. Die meisten Betroffenen verschwinden aufgrund der Schwere ihrer ME/CFS Erkrankung aus dem öffentlichen Leben und sind auf sich alleine Gestellt. #IamHere thematisiert das von Betroffenen empfundene Unsichtbar-Sein und das Vergessen-Werden durch die Gesellschaft, indem sie Menschen mit ME/CFS Stimme und Gesicht gibt.

Dazu werden Portraits, Statements sowie Erfahrungen der ME/CFS Betroffenen am Volkstheater Wien und möglichst auch anderen Städten in Österreich, Deutschland und der Schweiz öffentlich gezeigt.

Am 12. Mai selbst findet um 20:30 ein Gespräch mit Betroffenen und Fachleuten in der Roten Bar des Volkstheaters Wien statt. Eintritt frei, Anmeldung hier. Die Veranstaltung wird online übertragen werden.

#IamHere ist ein Projekt der Theaterregisseurin und Initiatorin Karen Breece mit dem Volkstheater Wien in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS, der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS, #MillionsMissing Deutschland und der Schweizerischen Gesellschaft für ME & CFS. Unterstützt wird das Projekt vom Schauspielhaus Bochum und der Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer.


Wie kann ich an #IamHere teilnehmen?

Um an der Aktion teilzunehmen, schickt bitte

→ ein Portraitfoto von euch (Foto nur vom Gesicht, möglichst hohe Auflösung) und/oder
→ ein persönliches Statement (bitte nur 1 Satz!)

an die E-Mail-Adresse: IamHere@dg.mecfs.de

Wer namentlich zum Foto oder Statement genannt werden möchte, gibt bitte seinen Namen an (z.B. Vor- und Nachname oder Vorname mit 1. Buchstaben des Nachnamens).

Deadline für das Einsenden eurer Portraits und/oder Statements ist der 28. April 2022.

Danke fürs Mitmachen, wir freuen uns über viele Bilder und Statements zum Internationalen ME/CFS-Tag!


“Eigentlich kannte ich nur noch zwei Gefühle. Zum einen wollte ich so sehr leben, wie ich es nie zuvor wollte. Zum anderen, noch nie so wenig.

Das ist ein Zitat von mir, das ich vor zwei Jahren in einem Artikel über mich und meine Krankheit veröffentlicht habe. Momentan überwiegt eindeutig der erste Teil des Zitats. Ich finde aber, es gibt sehr gut wieder, wie man sich als junger Mensch mit dieser Krankheit fühlt.

Ich bin Irina, 26 Jahre, Ende August werd ich 27. Bin Südtirolerin, die aber in Wien lebt. Seit drei Jahren bin ich krank. Mein vergangenes Leben ist weg; musste alles aufgeben: Studium, Sozialleben, Sport, alles. Für mich fühlt’s sich so an, als wär ein totaler Cut im Sommer 2019 passiert. Durch einen „harmlosen“ Atemwegs-Infekt. Mein Leben bewegt sich heut in Wellenbewegungen: auf, ab, auf, ab, auf und ab und immer mit ungewisser Zukunft. Von housebound zu bedbound und wieder zurück. Irgendwie gibt es kein konstantes „bergauf“.

Jetzt versuch ich irgendwie in ganz minimalistischer Form weiterzumachen, zu studieren, immerhin.

Mein Glück im Unglück war, dass ich sehr schnell auf Pacing geachtet hab und relativ schnell an einen Arzt geraten bin, der verstanden hat, was los ist. Ich wünsche mir, dass ich mir mit 26 Jahren keine Sorgen um Altersarmut machen muss. Oder sogar auf der Straße lande … Weil, das wird passieren, wenn die Krankheiten weiterhin so belächelt werden. Und natürlich will ich eine Therapie. So schnell wie möglich.

Das Leben ist schön. Ich will was davon haben, solange ich jung bin.”


“Ich will mein altes Leben zurück!”(Friedrich)
Schwerstes ME/CFS bedeutet, in der Dunkelheit zu verschwinden. Ein Leben in ein und demselben Raum. Zu krank, sich zu bewegen, zu krank, um berührt zu werden.
ME/CFS kann jeden treffen; Frauen und Männer jeder Altersgruppe. Kinder werden groß und fühlen die Sonne nur als dünnen Strahl in den seltenen Momenten, in denen es die Krankheit erlaubt, die Vorhänge für einen kurzen Moment einen Spalt zu öffnen, denn bei schwerem ME/CFS können bereits geringe sensorische Reize schwere Zustandsverschlechterungen auslösen. Die Erinnerung an das alte Leben bleibt wach, doch man verblasst in der Erinnerung der Welt.




“Ich habe oft das Gefühl täglich aufs Neue ums Überleben zu kämpfen.

Ich war einmal multitasking-fähig, hatte einen verantwortungsvollen Job und hatte viele Hobbies. Jetzt bin ich oft schon nach der Morgenroutine im Badezimmer so erschöpft, dass ich mich vor dem Frühstück wieder hinlegen muss.

Ich wünsche mir wieder mehr Tagesenergie zur Verfügung zu haben. Noch wähle ich an guten Tagen zwischeneinen Arzttermin wahrnehmen, einen kleinen Spaziergang machen (ich liebe die Natur und meinen Garten und ich vermisse es, mir mein Gemüse selber anzubauen)oder eine Kleinigkeit der wichtigsten Hausarbeiten erledigen.

Mich pflegen und etwas essen ist an diesen Tagen schon sehr anstrengend und meistens kann ich am Tag darauf keines dieser 3 Dinge tun, weil mir die Kraft dazu fehlt. Ich hätte gerne zumindest 1 x in der Woche eine Hilfe, um meinen Haushalt in Schuss zu halten, damit vielleicht ein bisserl Energie für “Leben” übrig bleibt.

Ich funktioniere wie ein alter Handyakku:
Extrem lange Ladezeiten – oft über Tage – und schnelle Entladung, oft schon nach der Morgenroutine im Badezimmer. Ich wünsche mir einen neuen Akku, damit ich täglich wenigstens etwas mehr Energie als für die Selbstversorgung zur Verfügung habe und auch etwas fürs Lebendig sein und Leben außerhalb der eigenen 4 Wände übrig bleibt. Ich möchte einfach wieder normal leben, ohne jede kleinste Handlung in Minieinheiten einzuteilen oder zwischen Kaffeetratsch und Staubsaugen wählen zu müssen.

Vom Umfeld wünsche ich mir mehr Akzeptanz für diese Krankheit und weniger blöde Meldungen wie “ich bin auch oft müde”; “du musst dich nur überwinden und es wollen”; “du schaust gar nicht krank aus”.

Und von der Regierung wünsche ich mir endlich zu handeln, Ambulanzen für Betroffene und deren Angehörige einzurichten, Gutachter und Ärzte so zu schulen, dass diese das bis jetzt bekannte Wissen anwenden und die Patienten begleiten und sie in ihrer massiven Einschränkungen im Leben auch wirklich ernst nehmen. Der jetzige Marathon bis zur Diagnose sind verlorene Jahre, in der der Betroffene enormen Druck ausgesetzt ist, sich die Krankheit dadurch – meistens irreversibel – verschlechtert und auch zur Arbeitsunfähigkeit führen kann.

Ich wünsche mir sehnlichst ein Medikament oder eine Therapie.”




“Du denkst unsere Medizin ist fortschrittlich und alle gängigen Erkrankungen sind gut erforscht? Das dachte ich auch, bis ich selbst an ME/CFS erkrankt bin.

Bereits seit 1969 ist die Myalgische Enzephalomyelitis von der WHO als neurologische Erkrankung anerkannt. Dennoch fehlt sie in der Forschung, den Lehrplänen und im Wissen der Ärzt*innen.

Wie ist es möglich, dass ME/CFS-Erkrankte seit über 50 Jahren weitgehend einfach sich selbst überlassen werden? Oder noch schlimmer unter falschen psychologischen Diagnosen kontraindiziert behandelt werden?

ME/CFS ist kein Schnupfen, sondern eine schwere Multisystemerkrankung, die alle treffen kann und die auch zum Tod führt! Jede Politiker*in, jede Mediziner*in, jede Volkswirtschaftler*in und jeder Mensch sollte ein Interesse daran haben, dass es endlich Behandlungsoptionen gibt!

Lasst uns nicht dahinsiechen wie Leprakranke vor 200 Jahren! Wiederholt nicht den Fehler der Psychologisierung wie bei der Hysterie vor 150 Jahren! Nutzt das Wissen dieses Jahrhunderts und eure Nächstenliebe um etwas zu ändern! Um Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ihr Leben zurückzugeben! Die Technik haben wir, das Geld wäre vorhanden, es fehlt nur der Wille!”



“Als Physiotherapeut habe ich Menschen dabei geholfen ihre Probleme durch Bewegung zu lösen. Mit ME/CFS ist Bewegung das Problem. Früher hieß es „viel hilft viel“. Heute ist weniger mehr… aber eben auch weniger. Weniger Freunde, weniger Hobbys, weniger Lachen, weniger Spielen, weniger Träume, weniger Zukunft, weniger Leben.

Als Physiotherapeut kann ich heute nicht mehr arbeiten. Ich bin leicht betroffen und studiere wieder. Nur diesmal ohne die Partys, ohne das Lernen im Café, ohne die neuen Bekanntschaften. Dafür bin ich wieder bei meinen Eltern, weil alleine Wohnen nicht mehr geht. Das ist auch deswegen praktisch, weil ich jetzt immer auf unseren Kater aufpassen kann, während meine Familie auf Urlaub ist.

Mein Opa hat letztens zu mir gesagt: „Deine Krankenakte ist ja schon dicker als meine“. Mein Opa hatte vor 15 Jahren einen Schlaganfall und ist halbseitig gelähmt. Ich verbringe gerne Zeit mit meinen Großeltern. Sie haben das richtige Tempo für mich, wenn sie spazieren gehen und verstehen die Pausen, die ich brauche. Wir haben einfach einen ähnlichen Lifestyle. Einen der mit 85 Jahren ziemlich Okay ist, mit 23 aber nicht.

Ich weiß, ich sehe nicht so aus wie man sich einen Kranken gerne vorstellt. Ich habe keinen Gips am Bein, keinen Verband um den Kopf gewickelt, kein Pflaster an der Backe und auch kein blaues Auge. So sieht man aus, wenn man verletzt ist. Sollte man 2022 noch erklären müssen, dass man auch ohne diese Sachen ziemlich krank sein kann? Verletzungen und Krankheit sind nicht das gleiche. Krankheit ist oft nach außen hin nicht sichtbar.”