Was ist ME/CFS

Hier finden Sie kompakte Basisinformationen über ME/CFS: Ursachen, Auslöser, Symptome, Häufigkeit, schwere der Erkrankung, Verlauf, Prognose und Diagnose (Stand 2020).

Kurzübersicht (Factsheet)

Einleitung

Die Myalgische Enzephalomyelitis, auch Chronic Fatigue Syndrome, kurz: ME/CFS genannt, ist eine schwere Multisystemerkrankung (ICD-10. G93.3). Leitsymptom ist eine “allumfassende” körperliche sowie geistige Erschöpfung und Schwäche, die durch Ruhe nicht verbessert wird. ME/CFS kann je nach Ausprägung zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung bis hin zur Pflegebedürftigkeit führen.

Ursache & Auslöser

Die genaue Ursache von ME/CFS ist noch nicht bekannt. Es scheint aber eine Kombination von genetischen und Umweltfaktoren relevant zu sein. In der Regel beginnt die Erkrankung nach viralen oder bakteriellen Infektionen. Aber auch Operationen, Traumata, Geburten oder allergische Reaktionen sind mögliche Auslöser. Bei einem Teil der Betroffenen lässt sich kein Auslöser finden oder es kommt zu einem allmählichen Beginn.

Symptome

Allumfassende Erschöpfung

Hauptsymptom ist eine allumfassende Erschöpfung und Schwäche, die durch Ruhe nicht verbessert wird. Abhängig von der Schwere der Erkrankung macht es dieses Symptom schwierig oder unmöglich Aktivitäten auszuführen, die früher Teil des Alltags einer Person waren.

Zustandsverschlechterung nach Anstrengung

Ein weiteres Hauptsymptom ist die Zustandsverschlechterung nach körperlicher oder mentaler Anstrengung (Post-Exertional Malaise, PEM), die Tage oder sogar mehrere Wochen anhalten kann und nicht selten auch zeitverzögert auftritt (24-72 Stunden). Selbst einfache Alltagsaktivitäten können zu anstrengend sein und eine Verschlechterung auslösen.


Schlafstörungen

Fast alle Erkrankten leiden trotz starker Erschöpfung an Durch- und Einschlafstörungen oder nicht erholsamem Schlaf. Das Gefühl nach dem Aufwachen wird oft als “wie von einem Lastwagen überfahren” beschrieben.

Grippeartige Symptome

PatientInnen beschreiben akute und wiederkehrende grippeähnliche Symptome wie Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen (bzw. Muskelschmerzen/Muskelkater), Husten, Übelkeit, Abweichungen der Körpertemperatur, kalte Hände und Füße.

Neurokognitive Symptome, Konzentrationsstörungen und Schwierigkeiten beim “Denken”

Sehr häufig wird ein umfassendes Gefühl der Benebelung und Benommenheit beschrieben (“brain fog”).
Dazu gehören auch gestörte Wortfindung, verlangsamte Auffassung, eingeschränktes Kurzzeitgedächtnis und Probleme beim Lesen/Schreiben und bei der Verarbeitung mehrerer Informationen gleichzeitig.

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Orthostatische Intoleranz, posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS)

Orthostatische Intoleranz bezeichnet die Unfähigkeit, den Körper über eine längere Zeit hinweg ohne Probleme (Symptome) aufrecht zu halten. Der Blutkreislauf ist gestört, die obere Körperhälfte, besonders das Gehirn, werden nicht optimal versorgt. Dabei leidet die eine Gruppe an POTS (Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom), gekennzeichnet durch eine überschnelle Herzrate beim Stehen. Die andere Gruppe leidet an NMH (Neural Vermittelte Hypotonie), bei der es zu einem Blutdruckabfall in aufrechter Position, samt Folgeerscheinungen bis zur Synkope kommt. Viele Betroffene leiden an POTS und NMH.

Chronische und akute Schmerzen

Chronische oder akute Muskel-, Gelenk-, Kopf- und Halsschmerzen, gesteigerte Schmerzempfindlichkeit, speziell nach Belastung, sowie unspezifische, weit gestreute “Gliederschmerzen” kommen sehr häufig vor. Auch Muskelzuckungen können auftreten.

Störungen im vegetativen Nervensystem

Störungen im vegetativen Nervensystem umfassen zum Beispiel: Probleme beim Stehen (orthostatische Intoleranz), hoher Puls und schlechte Regulierung des Blutdrucks (speziell im Stehen), Herzklopfen, Atemnot (durch Belastung ausgelöst), Reizdarm (Durchfall, Verstopfung, Krämpfe, Blähungen, Übelkeit). Als Folge können auch Angst und Panikattacken auftreten.

Erhöhte Infektanfälligkeit

Betroffene leiden oft unter einer erhöhten Infektanfälligkeit, die nach einem Infekt über mehrere Wochen, manchmal auch Monate zu einer Verstärkung der Symptome führt. Manchmal führen Infekte zu einer dauerhaften Zustandsverschlechterung.

Weiters

Stark erhöhte Reizempfindlichkeit, Bewegungsstörungen – motorische Funktionsstörungen durch Schwäche, gynäkologische Symptome, Unverträglichkeiten und Allergien, Empfindlichkeit gegenüber Arzneimitteln und Chemikalien, Medikamentenunverträglichkeiten.

Häufigkeit

Analog zu internationalen Angaben und zahlreichen Studien, kann man in Österreich von mindestens
25.000 Betroffenen verschiedener Schweregrade ausgehen. Diese Zahl beruht auf einer Berechnung anhand einer eher konservativ eingeschätzten Prävalenz von 0,3%. Vertreten sind alle Altersstufen und sozioökonomischen Gruppen.
Ein umfangreiches, systematisches Review und eine Metaanalyse der weltweiten Prävalenz von ME/CFS aus dem Jahr 2020 kamen auf einen geschätzten Wert von 0,89%. Übertragen auf Österreich würde das einer Zahl von mehr als 75.000 Betroffenen entsprechen.

Schwere der Krankheit

ME/CFS zählt zu den funktionell am stärksten beeinträchtigenden und gleichzeitig belastendsten chronischen Erkrankungen. Die psychische und emotionale Gesundheit scheint bei Betroffenen gut erhalten zu sein. Fast alle ME/CFS-PatientInnen erfahren im Verlauf ihrer Erkrankung stärkere kurz- und längerfristige Schwankungen der Symptomatik. Einige PatientInnen erscheinen während klinischer Untersuchungen möglicherweise nicht sichtbar erkrankt.

Während leicht Betroffene häufig – wenn auch nur in Teilzeit und mit vielen Einschränkungen – noch arbeiten können, sind moderat und schwer Betroffene meist nicht mehr arbeitsfähig.

Schweregrade

  • Leicht
    Menschen mit mildem ME/CFS sind mobil, können für sich selbst sorgen, aber Haushaltsaufgaben nur schwer erledigen. Die meisten arbeiten noch oder sind in der Ausbildung, aber um dies zu tun, werden meist alle Freizeit- und sozialen Aktivitäten eingestellt. Sie benötigen oft freie Tage oder nutzen das Wochenende zum Ruhen, um den Rest der Woche bewältigen zu können. Es kommt zu einem ca. 50% reduzierten Aktivitätslevel, im Vergleich zu vor der Erkrankung.
  • Moderat (Mittelschwer)
    Menschen mit moderatem ME/CFS sind in ihrer Mobilität und auch sonst in allen Aktivitäten des täglichen Lebens entscheidend eingeschränkt, auch wenn es oft stärkere Schwankungen in der Symptomatik und dem Aktivitätslevel gibt. Sie können in der Regel nicht arbeiten oder studieren und sind oft ans Haus gebunden. Bereits leichte Belastungen, wie zum Beispiel ein Arzttermin, ein Einkauf oder auch schon ein kurzer Spaziergang führen zur genannten Zustandsverschlechterung.
  • Schwer
    Bereits einfache Aktivitäten wie Duschen, Zähneputzen oder einfach nur aufrecht zu stehen, können zu einer schweren Zustandsverschlechterung führen. Die meisten schwer betroffenen PatientInnen können das Bett nur für kurze Zeit verlassen und sind daher meist pflegebedürftig bzw. stark auf fremde Hilfe angewiesen.
  • Sehr Schwer
    Sehr schwer Betroffene sind vollständig ans Bett gefesselt und bei grundlegenden Tätigkeiten auf Hilfe angewiesen. Sie sind weitgehend “unsichtbar”, weil sie jahrelang oder sogar jahrzehntelang ihr Haus und Bett nicht verlassen können.

Verlauf & Prognose

Die langfristigen Aussichten Betroffener sind unterschiedlich. Eine vollständige Heilung oder Remission dürfte eher selten sein. Jedoch ist bei einem guten Teil der ME/CFS Betroffenen zumindest eine teilweise Besserung und vor allem eine Linderung der Symptome möglich. Eine frühzeitige Behandlung und eine rechtzeitige Diagnose führen besonders bei jüngeren PatientInnen zu einer besseren Prognose. Bitte vermeiden Sie Überanstrengungen, bis geklärt ist, ob es sich um ME/CFS handelt. Aktivierende Behandlung kann bei ME/CFS PatientInnen schwerwiegende Folgen haben.

Diagnose

Nicht selten ist der Weg bis zur richtigen Diagnose lange und zermürbend. Leider kommt es aufgrund von fehlendem Wissen über die Krankheit oft zu Fehldiagnosen und folglich zu falschen Behandlungen, die schädigend sein können. Es empfiehlt sich deshalb für Betroffene, Ärzte mit Erfahrung und Wissen über ME/CFS aufzusuchen.

Zurzeit gibt es noch keine Untersuchungen, mit denen die Diagnose ME/CFS eindeutig gestellt werden kann. Deswegen sind eine genaue Betrachtung der Krankengeschichte, der Symptome und eine umfangreiche Ausschlussdiagnostik anderer Erkrankungen wichtig. Meist sind dafür mehrere Arztbesuche und Untersuchungen notwendig.

⇨ Weitere, detaillierte Informationen: Diagnose & Diagnosekriterien ME/CFS

Therapie & Behandlung

Derzeit gibt es noch keine zugelassenen Medikamente oder kausale Therapien. Es gibt aber symptomatische Behandlungsmöglichkeiten, die den Allgemeinzustand der PatientInnen verbessern können sowie Empfehlungen, die einen besseren Umgang mit der Krankheit ermöglichen. Behandlung der Symptome kann bei einigen PatientInnen mit ME/CFS Linderung bringen, bei anderen jedoch nicht. Sehr wichtig ist auch der schonende Umgang mit Energiereserven (“Pacing”). Aktivierung oder andere Belastungen können eine Verschlechterung der Symptomatik und des Krankheitsverlaufes nach sich ziehen.

⇨ Weitere Informationen zur Behandlung: Therapie & Behandlung – ME/CFS

Aktuelle Übersicht zur ME/CFS Forschung